Hundeausstellungen - nur etwas für Paradiesvögel?!

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Die Ausstellung - nur für Paradiesvögel?

Der ursprüngliche Sinn von Hundeausstellungen war die Ermittlung der besten für die Zucht geeigneten Hunde. Ist das noch der Fall? Immer häufiger werden Hundeausstellungen heute als abstoßender Jahrmarkt der Eitelkeiten der Hundeaussteller und Züchter kritisiert, als Kniefall vor einer Nachfrage, die unsere vierbeinigen Freunde als gequälte Marionetten eines immer groteskeren Geschmacks missbraucht. Sollte man Hundeausstellungen daher abschaffen

Dabei haben Ausstellungen eine nicht geringe Bedeutung für die
Zucht und das zukünftige Potential einer Rasse. Der Begriff "Zuchtschau" trifft
den Kern der Sache besser.
Hundeausstellungen kann man aus meiner Sicht sehr trefflich auch als
Schaufenster der Hundezucht bezeichnen. Züchter stellen ihre
Zuchtergebnisse aus. Auf einer Zuchtschau soll die Nachzucht der Rassen
gezeigt werden. Züchter und Hundebesitzer lassen von einem anerkannten
Zuchtrichter feststellen, inwieweit ihr Tier dem international gültigem
Rassestandard entspricht.
Der Zuchtrichter führt eine Art Qualitäts- oder Standardbeurteilung durch und
der Züchter erfährt so, wo er mit seiner züchterischen Arbeit steht.
Hundeausstellungen können aber auch als reine Hunde-Show´s gesehen und
zu einem zeitintensiven und aufwendigen Hobby werden. Nicht selten
besuchen „Aussteller“ 10 bis 20 Schauen im Jahr und nehmen so an
regelrechten Schönheitswettbewerben teil. Hierbei steht die Sammlung von
Siegertiteln im Vordergrund. Züchter können hierdurch einen enormen
Bekanntheitsgrad erlangen. Bei Rüdenbesitzern steigt das Interesse an
Deckakten und bei Hündinnenbesitzern das Interesse an deren Welpen.

 

Zuchtrichter - ein Blick hinter die Kulissen

Der Zuchtrichter orientiert sich mit seiner Bewertung ausschließlich an
den festgelegten Rassestandards und den darin enthaltenen Rassekennzeichen.
Aber gerade die Position des "Zuchtrichters" kann eine enorme Auswirkung auf die generelle Tendenz der Zuchtausrichtung haben!.
Hierzu ein Beispiel:
Im amerikanischem Raum ist eine - für den Belgier fatale Tendenz - zu längeren Rücken zu erkennen!
Die Begründung hierfür ist ebenso einfach wie erschreckend!
Zumeist werden die Belgischen Schäferhunde in Amerika von Allgemeinrichtern bewertet, deren Kenntnis um die Rasse sich häufig auf die Marginalen Umschreibungen beschränken. Insofern werden Tiere mit längeren Rücken bevorzugt auf die vorderen Plätze gestellt.
Und wenn Sie sich nun den ungleich höheren Stellenwert des Ausstellungswesen in den USA vor Augen halten, sind die Rückschlüsse für die Züchter einfach nach zu vollziehen!
Leider geht dabei eines der hervorstechensten Merkmale des Belgischen Schäferhundes - das des quadratischen Gebäudes, nach und nach verloren!

Wie es anders geht, kann am Beispiel des wichtigsten Zuchtverbandes für Belgische Schäferhunde - dem Französischem - verfolgt werden.
Hier treffen sich die eingeladenen Zuchtrichter vor der Ausstellung mit Vertretern des Zuchtverbandes und besprechen, welche bestimmten Merkmale über alle Varietäten und Klassen hinweg betrachtet für den Ausstellungstag besonders beachtet werden sollten!
Am Ende der Ausstellung werden die Ergebnisse und Erkenntnisse - sowie Empfehlungen gegenüber dem ausrichtendem Verband besprochen!
Dies konnte in der Vergangenheit unter Mme. Aubry(als langjährige Hauptverantwortliche) zu recht lautstarken Auseinandersetzungen und "roten Ohren" führen!
Der positive Effekt dieser Vorgehensweise liegt aber auf der Hand, denn das nur auf der französischen Speciale zu erringende Zuchtprädikat s.r stellt für die Züchter aller Länder den quasi Ritterschlag für seine Tiere dar!

 

Typ und Typus

Ausstellungen sind jedoch auch immer subjektiv! Jeder Züchter hat das
Idealbild seiner Rasse vor Augen, natürlich immer im Rahmen des festgelegten
Standards. Und so hat auch jeder Richter einerseits bestimmte Vorlieben und
Ausprägungen die ihm besonders wichtig sind, andererseits aber auch
Erscheinungen, die er bei seiner Rasse gar nicht akzeptieren kann.
Beim Belgischem Schäferhund lässt sich dies Phänomen grob einteilen in zwei Typen:
dem Klassischen Typ und dem Showtyp (gerne auch als französischer Typ bezeichnet)!
Wo liegt nun der Unterschied?
nun, vereinfacht ausgedrückt reflektiert der "Klassiker" Tiere, die im allgemeinen etwas rustikaler als Ihre feingliedrigeren Artgenossen erscheinen,häufig mit längeren Rücken und- im Vergleich weniger Fell, mit etwas ausgeprägterem Stop und stärkerer Charbonnage!
Boshaft werden die "Showliner" auch schon mal, wegen des üppigeren Haarkleides, als Shelties im Belgierkörper bezeichnet!

Leider ist aber auch nur all zu häufig eine Reduktion des allgemeinen Zuchtwertes eines ausgestellten Hundes auf einige wenige Attribute zu sehen!
Hierzu auch zwei Beispiele:
- Charbonnage, also der schwarze Anflug der Haarspitzen! Züchterisch nicht wirklich schwierig umzusetzen, aber doch viel zu oft das Hauptkriterium für Richter und Grundlage für eine vordere Platzierung!
- Größe, sowohl bei Rüden als auch bei Hündinnen, selbst wenn diese dem Rassestandard längst nach oben hin entwachsen scheinen

 

Ausstellung und Besucher

Nicht vergessen darf man schließlich die Bedeutung einer Hundeausstellung für
die Ausstellungsbesucher. Viele Leute besuchen eine Hundeausstellung, um
sich ein Bild über eine bestimmte Rasse zu machen, die verschieden Rassen
miteinander zu vergleichen, Züchteradressen zu erfahren oder mit den
Ausstellern über rassespezifische Probleme, Haltungs- und Erziehungsfragen zu
diskutieren. Auf Hundeausstellungen werden auch das Interesse an einer Rasse
und Kaufentscheidungen für eine diese getroffen.
Interessierten Besuchern gelingt es sogar nach einiger Zeit die doch sehr
deutlichen Unterschiede einzelner Hunde zu erkennen und als richtig oder
fehlerhaft einzustufen.

 

Hundeausstellungen also abschaffen?

Soll man also Hundeausstellungen abschaffen, wie aus dem Vorhergehenden abzuleiten wäre? Ganz im Gegenteil, eine müßige Frage, wenn man die Tausende begeisterter Zuschauer solcher Veranstaltungen sieht. Ausstellungen sind das Tor der Kynologie zur Welt, heute mehr denn je sind Hundeausstellungen eine Notwendigkeit, um die Öffentlichkeit für Hunde zu begeistern, für die Hundehaltung zu gewinnen und das Image des Hundes zu fördern.

Dazu ein paar relevante Zahlen: Die größte Hundeausstellung der Welt, die englische Cruft’s, zählte 2004 21.622 ausgestellte Hunde. Die größten Veranstalter von Hundeausstellungen, bzw. ihrer Mitglieder, sind der englische Kennel Club, die weltweite FCI (Fédération Cynologique Internationale) und der Amerikanische Kennel Club (AKC). Die Mitgliedvereinigungen der FCI veranstalteten 4.819 Ausstellungen. Die weltweit beliebtesten Hunderassen sind der Labrador und der Golden Retriever sowie der Deutsche Schäferhund. Solche gewaltigen Zahlen zeigen das international große Interesse am Rassehund. Das ist gerade heute unbedingt notwendig, müsste aber medial weit besser ausgenützt werden, denn die Gefahren für die Hundehaltung haben stark zugenommen.

Aber im Interesse der Hundezucht müssten für die Zulassung zur Ausstellung auch gesundheitliche Aspekte beachtet werden, das heißt, ausgestellte Hunde wären auf Herz und Nieren zu prüfen, müssten einen niedrigen Inzuchtkoeffizienten aufweisen und, wo anwendbar und noch sinnvoll, rassenspezifische Prüfungen sowie Wesenstests absolvieren. Äußerst wertvoll wären generell bei den meisten Hunderassen Ausdauerprüfungen, auch im Hinblick auf die zunehmende Ausübung von neuen athletischen Hundesportarten. Ausschlaggebend für die Zukunft des Rassehundes ist die öffentliche Meinung, man sollte daher auf Hundeausstellungen Befragungen durchführen, um zu sehen, was der Mehrheit der Besucher gefällt und was ihnen nicht zusagt, aber auch welche Wünsche und Vorschläge geäußert werden. Auch Erhebungen zu diesen Themen in der gesamten Bevölkerung wären sehr wichtig! Was den Menschen an den Ausstellungen missfällt, müsste auch der Anlass zum Überdenken mancher Details sein. Das heißt ferner, Ausstellungen sollten nicht länger nur Hundeschauen sein, sondern auch der Werbung und Imagepflege des Hundes dienen. Schließlich gibt es heute wohl wesentlich mehr Hundefeinde, und auch Teile der Presse sind nicht allzu hundefreundlich zu nennen. Verbessern Hundeschauen in der heutigen Form das Image des Hundes oder sind sie nicht vielleicht eher kontraproduktiv? Auf diesem Gebiet geschieht viel zu wenig.

 

Öffentlichkeitsarbeit gefordert

Allgemein wäre viel mehr Öffentlichkeitsarbeit wünschenswert, wie etwa der Unterricht im Umgang mit Hunden für Erwachsene und Kinder, Filme, Vorträge über Haltung, Ausbildung, Gesundheitsfragen und Möglichkeiten von Wagenfahrten, Vorführungen aller Hundesportarten und vieler „Hundeberufe", wie vor allem auch Therapiehunde und Suchhunde aller Art.

Die Öffentlichkeit ist in vieler Hinsicht kritisch: Hunde bellen, beißen, müssen die Straße als Toilette benutzen. Manche Hundebesitzer versuchen, mit ihren großen und „scharfen" Hunden ihre Mitmenschen zu dominieren oder einzuschüchtern. Manche Hunde raufen gern. Wir wissen, die Ursachen liegen vorwiegend am anderen Ende der Leine. Warum also nicht öffentliche Vorträge und Diskussionen über das richtige Verhalten als Hundehalter? Über die Kommunikation und das Verhalten beim Kontakt mit fremden Hunden? Auch im Fernsehen sind Hunde wenig präsent, und über Hundeausstellungen ist die Medienberichterstattung mehr als dürftig.

 

Hundeausstellungen als unverzichtbare Chance

In der heutigen Zeit dürften Hundeausstellungen nicht länger nur das Anliegen einer Minderheit sein, sondern unbezahlbare Gelegenheiten, der Allgemeinheit unseren Kumpan aus dem Tierreich nahe zu bringen. Zu viel erschwert den Erfolg dieses Vorhabens: unberechenbare Behörden, Politiker, Gesetzgeber, Medien, Klimawandel usw. machen uns Hundehaltern immer wieder Probleme und Sorgen, die Umwelt wird für Hunde auch nicht besser, und schließlich sind soziale Faktoren (wie Leben als Single oder Kleinfamilie, Reisetätigkeit usw.) ebenfalls der Hundehaltung mehr als hinderlich.

Fazit: Hundeausstellungen sind unverzichtbar, aber sie müssen positive und wirksame Auswirkungen auf die Rassehundezucht und auf die Öffentlichkeit haben.